(03.Jan.22) Schlappe für die Stadt Gladbeck

Urteil Bundesverwaltungsgericht
Ein aufsehenerregender Rechtsstreit zwischen der Fraktion DIE LINKE und dem Rat der Stadt ist nach 6 Jahren im September 2021 vor dem Bundesverwaltungsgericht entschieden worden. Jetzt liegt auch die schriftliche Urteilsbegründung vor (BVerwG 8 C 31.20, Urteil vom 27. September 2021 | Bundesverwaltungsgericht).
s.a. Bundesverwaltungsgericht: Schlappe für die Stadt Gladbeck

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Der Vorwurf
Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt den Vorwurf der LINKEN Ratsfraktion in Gladbeck, wie der Ex-Bürgermeister Roland im Jahr 2015 die Öffentlichkeit in unzulässiger Weise von der Sitzung des Rates ausgeschlossen hat. Die Sitzungsöffentlichkeit, die hier nach der Feststellung der Bundesverwaltungsgerichts verletzt wurde, „stellt einen tragenden Grundsatz der demokratischen Willensbildung in den Kommunen dar.“ (Absatz 17 des Urteils).

Ex-Bürgermeister auf Abwegen
Was war an jenem denkwürdigen Dezembertag des Jahres 2015 geschehen? Der damalige Bürgermeister hatte Einfluss auf die Teilnahme von Zuschauenden bei der Ratssitzung genommen, indem er für ihm genehme Personen Zuschauerplätze reservierte. Hierzu zählten neben seiner Ehefrau und Mitarbeiter der eigenen Verwaltung auch Verband- oder Firmenvertreter. Das durfte er nicht, so das Gericht, weil er damit „eine chancengleiche Zugangsmöglichkeit für jedermann ohne Ansehen der Person“ (Absatz 16 des Urteils) verhindert hat.

Worum es eigentlich ging
Im Mittelpunkt der Tagesordnung stand der mögliche Ausbau der B224 zur Autobahn A52. Dagegen hatten sich im Vorfeld besonders DIE LINKE ausgesprochen und starke Unterstützung aus der Bürgerschaft durch das Bürgerforum Gladbeck erhalten. Da die Zuschauenden bei Ratssitzungen weder Rede- noch Stimmrecht haben, war eine Störung des Sitzungsverlaufs nicht zu erwarten. Deshalb ist es so unverständlich, dass der Ex-Bürgermeister die Autobahngegner mit unrechtmäßigen Maßnahmen von der Sitzung fernhalten wollte. War es als bloße Machtdemonstration gemeint? Jedenfalls stieß dem Bundesverwaltungsgericht besonders auf, dass Herr Roland für eine SPD-nahe Bürgerinitiative 4 Plätze reservieren ließ, das Bürgerforum Gladbeck von ihm aber keine Platzreservierung erhielt (Absatz 20 des Urteils).

Verstoß gegen den Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit
Von 73 Zuschauerplätzen wurden 24 Plätze unrechtmäßig der Öffentlichkeit vorenthalten. Darin sieht das Gericht einen Verstoß gegen den Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit.

Bleiben die Beschlüsse der Ratssitzung gültig?
In jener Sitzung des Rates im Jahr 2015 hat die Mehrheit des Rates den Bau der A52 durch Gladbeck begrüßt. Dieser Beschluss war nach Meinung der Fraktion DIE LINKE unwirksam, da bei der Sitzung der Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit nicht eingehalten wurde. Das sah das Bundesverwaltungsgericht jedoch anders. Es unterschied zwischen „schweren“ und „sonstigen“ Verstößen gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz. „Bei sonstigen Verletzungen des Grundsatzes der Öffentlichkeit von Ratssitzungen bleibt es dann bei der Wirksamkeit der verfahrensfehlerhaften Beschlüsse“ (Absatz 23 des Urteils). Im Gladbecker Rechtsstreit handelt es sich nach Meinung des Gerichts nur um einen „sonstigen“ Verstoß. Damit sind die Beschlüsse nicht aufgehoben.

Kein voller Erfolg für die LINKE-Fraktion in Gladbecker
Diese Ansicht des Gerichts ist für die Gladbecker LINKE durchaus enttäuschend, denn es ging ihr ja nicht nur um eine gerichtliche Bewertung der selbstherrlichen Entscheidungen des Ex-Bürgermeisters, sondern auch um eine Wiederholung der Abstimmungen aus der Ratssitzung im Dezember 2015. Der Teilerfolg wirkt trotzdem in die Zukunft, da der Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit durch das Bundesverwaltungsgericht konkretisiert wurde. Kein Behördenleiter, weder Oberbürgermeister und Bürgermeister, noch Landrat kann sich in Zukunft auf Unwissenheit berufen, wenn Bürgerinnen und Bürger durch eine fehlerhafte Platzvergabe ausgeschlossen werden.

Hohe Streitkosten für die Stadt
Bleibt noch zu betonen, dass das rechtswidrige und selbstherrliche Vorgehen des Ex-Bürgermeisters der Verwaltung wohl Kosten in Höhe eines 6-stelligen Eurobetrages verursacht hat, weil Roland seinen festangestellten Rathausjuristen keine erfolgreiche Vertretung vor Gericht zugetraut hat. Stattdessen wurde von ihm ein bekannterweise sehr teures Anwaltsbüro zu seiner Vertretung engagiert. Eine Offenlegung der Kosten hat die Verwaltung bislang verweigert.

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